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Tourette-Syndrom, Tics und Hirnstimulation

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Hirnstimulation mit tDCS zeigt hilfreiche und anhaltende Effekte beim Tourette-Syndrom, Tics und auch anderen Impulskontroll-Problemen, aber nicht bei jedem. Vermutlich wird eine individuelle Testung und simples “Ausprobieren” die Lösung sein.

Dieser Artikel ist Evidenzgrad 4 – d.h. es existieren nur ein paar Forschungsnotizen. Ich hatte nur gerade die Mutter eines Tourettes-Kindes in der Praxis und wollte wissen, ob es Studien zu physikalischen Behandlungen des Gehirns als Option bei Tourette gibt.

 

Rumprobieren bei Hirnstimulation?

wir sehen bei Multipler Sklerose und auch bei Parkinson dass die “Neurovaskuläre Kopplung” der Hirnstimulation einer der Hauptfaktoren sein dürfte, wieso man eine Verbesserung bekommt. Vielleicht bei der MS auch eine “neuroglymphatische Kopplung”?

Diese Krankheiten machen uns “Seitenprobleme” – wir können nicht sicher aufgrund unserer neurologische Untersuchung vorhersagen, ob die Stimulation der ipsi- oder kontralateralen Gehirnhälfte die Verbesserung bringt.

Wir sehen aber in 15-30 Minuten merkbare Veränderungen, und wenn die ausbleiben wechseln wir die stimulierte Seite und bekommen dann ev. bessere Ergebnisse.

In 30% der Fälle bekommt man kein Ergebnis meint Dr. Petros, selbst mit prolongierter Behandlung.

wenn sie als Arzt diese Methode lernen wollen, bitte folgende Website Brain-Stimulation.info ansehen.

D.h. mit den von Petros erlernten Untersuchungsmethoden bekommt man das Werkzeug in die Hand um Hirnstamm (Ducest) und Grosshirn-Stimulation (tDCS) zu differenzieren sowie die Hirnregion zu identifizieren.

Die optimale Hirn-Seite ist aber nicht immer klar – manchmal müssen wir auch beide Seiten abwechselnd stimulieren.

Desswegen verwendete ich den Begriff “ausprobieren”.

 

 

Neurovaskuläre Kopplung: durch Anlegen von Gleichstrom am Kopf kommt es zu einer Verbesserung der Durchblutung. Hier für Kollegen ein Vortrag eines der eminentesten Forschers auf diesem Gebiet, Prof. Marom Bikson

 

 

2000 Studien zum Thema Tourette und Hirnstimulation

ein gewisser Teil der Studien ist fast euphorisch positiv: mit einigen wenigen Stimulationen kommt es zu einer nachhaltigen Besserung der motorischen Tics sowie der Impulskontrolle die bis zu 6 Monaten anhält.

Andere Studien sind wieder negativ ausgegangen, obwohl scheinbar dieselben Behandlungsbedingungen gelaufen sind.

–> hier der Link auf Scholar

 

Hintergrund von Tourette

Motorischen Impulse (=TICs) kommen aus dem Cortex (Hirnrinde) aus der prämotorischen Zohne (SMA und Prä-SMA) und gehen in die Motorischen Kerne (Basalganglien) in die Tiefe. Cortikale Aktivität ist zuerst da, danach erst kommt die Aktivität in den SMA-Bahnen zeigen die funktionellen Tests des Hirns. Wenn man diese Cortex-Regionen mit tDCS hemmt, hat man weniger motorische TICs

Rumschreien = Störung der Selbstkontrolle = Impulskontrolle sitzt im Präfrontalen Kortex (F1) 

Infos stammen aus den Studien unten sowie einer speziellen Untersuchung über die Hirnaktivität und dem Einfluss von tDCS von Univ. Bergen 2023

 

positive Studien

Die Rolle der transkraniellen Gleichstromstimulation (tDCS) beim Tourette-Syndrom: Ein Rückblick und vorläufige Ergebnisse

Review von 2017 PDF

tDCS ist eine Hirnstimulationstechnik, die für eine Vielzahl neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen untersucht wird.

Vorläufige Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Hirnstimulation bei der Behandlung des Tourette-Syndroms (TS) nützlich sein könnte.

In dieser Review wird Tourette mit Hirnstimulation (über dem motorischen Zentrum positioniert) in einer crossover-Studie untersucht:

Patienten bekommen 3 Wo Plazebo-Behandlung, danach 6 Wochen lang richtige Behandlung oder umgekehrt.

Nach 3 und nach 6 Monaten kommt es zu einer Nachuntersuchung.

Im Laufe der Behandlung kam es zu einer Verringerung der Häufigkeit und Intensität der Tics und des prämonitorischen Drangs der Patienten sowie zu einer Verbesserung der Hemmfunktion.

 

Anhaltender Effekt einer Hirnstimulation auf einen “widerspenstigen” Fall von Tourette Syndrom

letter2Editor-2014: https://www.brainstimjrnl.com/article/S1935-861X(14)00445-8/fulltext

Abstract: Für das Tourette-Syndrom (TS) stehen nur wenige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Diese Behandlungen wirken bei Patienten mit mittelschwerem bis schwerem TS häufig nicht.

Neuroimaging-Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen der Schwere der Tics und einer erhöhten Aktivierung über motorische Bahnen, zusammen mit einer verringerten Aktivierung über die Kontrollbereiche (Bremser) dieser Hirnregionen.

Darüber hinaus zeigt das zeitliche Muster der Tics, dass die kortikale Aktivierung der subkortikalen Aktivierung vorausgeht.

Dieser Annahme folgend untersuchten wir hier die Gehirneffekte von 10 täglichen Sitzungen mit tDCS – Hirnstimulation, die bei einem Patienten mit refraktärem und schwerem TS verabreicht wurden und fanden, dass Veränderungen lange anhaltend waren (bis zu 6 Monate).

 

negative Studien

Lehren aus einer Fall-Serie – 2018

in dieser Studie von 2018 mit 3 Patienten mit schwerem Tourette-Syndrom wurde die hemmende Hirnstimulation auf dem Prä-SMA durchgeführt. Bei einem der Patienten kam es zu einer Verminderung der motorischen TICs um ca 30% – bei den anderen zu einer leichten Verschlechterung.  Bei allen Patienten verbesserte sich die Stimmungslage zum positiven, die negative Einstellung wurde weniger.

Die Zwangsimpulse haben sich durch die Behandlungen nicht wirklich verändert.

Ich geh davon aus, dass man eine seitenspezifische Testung benötigt und vermutlich nur die eine Hirnhälfte hemmen sollte, die betroffen ist. Die Zwangsimpulse werden nicht aus der Motorischen Zohne gesteuert, daher ist eine Hemmung dort auch nicht massgeblich dafür.

Was bedeutet das jetzt

2000 Einträge auf Scholar hinsichtlich Hirnstimulation für Tourette ist ehrlichgesagt nicht viel, andererseits gibts nicht viele Patienten.

Die tw. widersprüchlichen Studienaussagen sind aber angesichts der sehr kleinen Studien-Teilnehmerzahlen und der sehr kurzen und örtlich begrenzten Stimulation trotzdem vielversprechend.

Ausserdem: weil es sowieso nicht viel anderes gibt.

 

 

Nebenbei Autismus

wenn ich auf Scholar nach dTCS und TICs suche, komme ich auf eine italiänische Studie aus 2021FullTextPDF  wo AUTISTISCHE Kinder untersucht worden sind, diese haben eine 35% Verbesserung ihres Autistischen Zustandes durch 20 Behandlungen. Ich hab jetzt  keine Zeit um das genau aus-zu-recherchieren, es ist jedenfalls vielversprechend.

Von einer Autismus-Mutter weis ich, dass sie für ihr Kind eine Behandlung in London begonnen hatte die unfassbar teuer ist (kostet monatlich so viel als “Service-Pauschale” wie bei uns die ganze Behandlung). Sie kann diese Verbesserung bestätigen.

Von Petros weis ich, dass er Autismus nicht nimmt, weil sich die Kinder gegen tDCS wehren und er sowieso nur Level1 und Level2 – Evidence übernimmt und macht (= US-Medizin, nix probieren, immer abgesichert sein).

 

Praktische Anwendung

in diesem Zusammenfang findet man auch im Internet folgenden Flyer eines Arztes in München der tDCS bei Tourette anbietet

https://iv-ts.de/wp-content/uploads/2015/02/Flyer-tDCS-bei-Tourette.pdf

 

 

Photos: Midjourney KI-Bilder “Boy with Tourette-Syndrom”

 

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