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Ammonium Carbonikum HiÖ 6/1 März 95 11

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Ammonium Carbonikum HiÖ 6/1 März 95 11

 

 

Ammonium Carbonicum

H. Retzek

Bei einem Streifzug durch kleine Schriften des P.Sankarans stieß ich auf eine lebendige und überzeugende Beschreibung von Ammonium-carbonicum. Da dieses Mittel in aktuellen Publikationen kaum erwähnt wird, überraschte mich das große, vielseitige und komplexe Bild, das sich bei Literatur-Recherchen ergab. Gleichzeitig konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß nur wenige Autoren wirkliche Erfahrung mit diesem Mittel gemacht hatten. Die Plus-Minus Darstellung wichtiger Geist-Gemüts-Rubriken zeigt jedoch ein sehr eindrucksvolles und charakteristisches Bild dieses “großen” und “tiefwirkenden konstitutionellen Mittels” (Kent).

Chemismus

Die Ammonimsalze ähneln in ihrer Löslichkeit und auch in ihrern Strukturen den entsprechenden Kalium und Rubidiumsalzen, da die drei Ionen K+, NH4+ und Rb+ vergleichbare Hydrationsenergien und Radien besitzen. Diese Ähnlichkeit zeigt sich auch im Arzneimittelbild. Ammoniumcarbonat (NH4)2CO3 wird technisch durch Einleiten von Kohlendioxid in Ammoniakwasser

2NH3 + CO2 + H2O –>  (NH4)2CO3

oder durch Erhitzen eines Gemisches von Ammoniumsulfat und Calciumcarbonat (Kreide, Kalk) gebildet:

(NH4)2SO4 + CaCO3 -> (NH4)2CO3  + CaSO4 (Gips)

Das beim letzten Verfahren absublimierte Salz [1] enthält außer dem normalen Ammoniumcarbonat noch Ammoniumhydrogencarbonat und Ammoniumcarbaminat (eine Vorstufe des Harnstoffes). Das im Handel erhältliche “Hirschhornsalz” (Riechsalz) besteht zur Hauptsache aus Ammoniumhydrogencarbonat und Ammoniumcarbaminat.

Beim Liegen an der Luft geht das Ammoniumcarbonat unter Abspaltung von Ammoniak in Ammoniumhydrogencarbonat über (NH4HCO3); bei etwa 60° zerfällt dieses unter weiterer Ammoniakabspaltung in Kohlendioxid und Wasser.

 

Dieser kurze Exkurs in die Anorganische Chemie weist auf die relativ komplexe und von Alter, Luftfeuchtigkeit und Temperatur abhängende Zusammensetzung des Ausgangsstoffes unseres potenzierten Ammonium carbonicum, dem Riechsalz hin.

Es sei in diesem Zusammenhang noch angeführt, das Ammonium (NH4+) als wichtigstes Gegenion bei der renalen Ausscheidung überschüssiger Säuren, das Bicarbonat (HCO3) als wichtigstes Puffersystem im Blut dient. Es darf also angenommen werden, daß durch potenziertes Ammoncarbonat der Säure-Basen Stoffwechsel angeregt wird.

In vielen Arzneimittellehren wird daher wohl nicht zufällig Am.-c. als großes Reaktionsmittel, bezeichnet. Ammonim carbonicum scheidet Säuren aus” (Vithoulkas, Kent). Die Ähnlichkeit zu Sulphur hinsichtlich der Anregung des eigenen Stoffwechsels ist dabei augenfällig und die Grundlage der “Reaktions-Wirkung”, den erstarrten Organismus einer dynamischer Beeinflussung wieder zugänglich zu machen, wohl darauf zurückzuführen (vergleiche dazu Mezgers Anmerkungen zu Sulfur, S.1381).

Arzneimittelprüfungen

In den Chronischen Krankheiten, Band 1 findet sich die ausgiebige Prüfung Hahnemanns (mit 6 Mitarbeiter, 789 Symptome). Hahnemann gibt genaue Herstellungsanweisungen:

das resublimierte Salz wird bis zur C3 trituriert und erst dann flüssig weiterpotenziert, ein Vorgang, den Hahnemann in seinen späten Jahren ausschließlich und bei allen Arzneien angewandt hat [2] . Das Mittel wird als “sehr gutes, kuratives Anti-Psorikum in chronischen Fällen” beschrieben.

 

T.F. Allens Encyclopädie listet 1010 Symptome von 20 Prüfern. Die Arznei wurde aus einer 10% wässrigen Lösung des Salzes hergestellt !

Arzneimittellehren

 

J.T. Kent:am.-c. ist eintief wirkendes konstitutionelles Mittel, ein Anti-Psorikum”. Zahlreiche scharfe, wundmachende Ausscheidungen (Speichel, Tränen, Stuhl, Leucorrhoe, Menses, Ausscheidung von Ulcera), hämorrhagische Diathese (schwarzes, flüssiges, nicht gerinnendes Blut aus Nase, Uterus, Blase & Eingeweide).

“Das Herz scheint starken Bezug zu am.-c. zu haben: hörbare Palpitation mit großer Erschöpfung, jede Bewegung verschlimmert, Asthma cardiale.”

 

Schwäche, Erschöpfung, schwaches Herz, muß im Bett liegen wegen Herzklopfen und Atemnot bei jeder Bewegung.

 

Kent beschreibt eine Patientin mit genau diesen Symptomen: von einem Neurologen eine sechswöchige “Rastkur” verordnet aus der sie sich offensichtlich nicht mehr erheben konnte. Zugezogene Herz-, Lungen- usw. Spezialisten konnten keinen organischen Schaden finden. Nachdem Kent konsultiert wurde und er mit diesen vagen Angaben am.-c. verordnet hatte, kletterte sie wieder auf Berge.

 

Dyspnoe, vorallem kardial, aber auch Asthma mit dem eigentümlichen Symptom der Verschlimmerung im warmen Raum bis zum Ersticken, muß hinaus in die kalte Luft gehen (obwohl sonst kalte Luft verschlimmert).

Beschwerden kommen besonders um 3 Uhr morgens: Husten, Schwäche, Erschöpfung, Palpitation, kalter Schweiß und Dyspnoe (kali.-carb.).

Patienten, die sich unter Therapie gut entwickeln aber an plötzlichem Herzversagen verscheiden.

Brust voll Schleim, schwer herauszuhusten, starkes Rasseln. “Ein gutes Palliativum in den letzen Stadien der Schwindsucht. Eine Dosis am.-c. bei starker Kälte, Erschöpfung und Schwäche in der Brust”. Die Schwäche von stan., der Schleim von ant.-t.

Angaben zum Einsatz bei septischen Erkrankungen (Erysipel, maligner Scharlach, Typhoid, Diphterie) gehen wohl auf den damals geübten allopathischen Einsatz des Mittels in pharmakologischer Dosis bei diesen Zuständen zurück.

“Wenn unter der Behandlung einer schweren Erkrankung Karbunkel oder Erysipel auftreten [Septikopyämie] und dabei aber keine Erleichterung für den Patienten eintritt, besteht Gefahr . Man braucht sofort ein Mittel. … Am.-c. ist eines der Mittel um das Fortschreiten dieses Prozesses einzudämmen.”

“Kann mit seiner Morgen-Verschlimmerung, der Erschöpfung, dem Herzklopfen, den schwarzen Blutungen, der Sepsis und dem speziellen Kopfschmerz Lachesis ähneln, wirkt aber antidotisch !” Oft bei Schlangenbissen eingesetzt.

Hörstörungen. Viele Augensymptome, konstitutionell eingesetzt konnte er Katarakt heilen [in “Entsäuerungsliteratur” habe ich Angaben zur Heilung des grauen Stars durch “Entsäuern” gefunden].

Baden verursacht vielerlei Beschwerden, Nasenbluten vom Gesichtswaschen. Viele Halsbeschwerden, erinnern wieder an Lachesis.

Ein wichtiges eigentümliches Symptom: Gefühl der Wundheit in den Beckeneingeweiden, als ob alle inneren Teile roh wären (besonders während der Regel).

 

J.H.Allen´s (die Miasmen): man kann es bei hysterischen Beschwerden vor Lachesis in Erwägung ziehen. “Dies ist ein echtes pseudo-psorisches [tuberkulöses] Mittel”. “Das Mittel ist feindlich gegenüber Lachesis” (S.87, Kap. Dysmennorrhoe). “Schläft am Tage und nicht in der Nacht” (S. 166, Kapitel Fluor).

 

G. Vithoulkas weist darauf hin, daß das Mittel sehr komplex und wenig verstanden und daher selten angewandt wird, stattdessen kali.-carb., ant.-t., carbo-veg. verschrieben wird.

Schlaffe und fettleibige Menschen (Cortison-Patienten) mit schwachem Herzen und noch schwächeren Atemsystem. Erschöpfung und unbeschreibliche Müdigkeit. “Der Patient ist in arger Bedrängnis, mit Erstickungsgefühl beim Atmen und sehr geräuschvollem Luftholen, Zyanose der Lippen, der Nase und sogar der Fingerspitzen, er sieht ängstlich aus und hat das Gefühl, etwas Schlimmes stehe bevor. Die Stimme des Patienten ist sehr schwach, matt und heiser, die Nase ist kalt, obwohl Körper und Füße sich warm anfühlen, der Puls ist extrem schnell und schwach. In einem solchen Fall sollte man an Ammonium carbonicum denken, und nicht an Carbo vegetabilis oder Antimonium tartaricum.”

Affektionen der Atmungsorgane mit langer Vorgeschichte, (scharfer) Schnupfen, rezidivierenden Erkältungen, die sich schließlich in den Bronchien festsetzen, mit schwer auszuwerfenden Ansammlungen von Schleim bis zum Schluß das Emphysem so groß wird, daß nur noch eine ausgeprägte Dyspnoe ohne Husten oder Rasseln festgestellt werden kann ! “Eines der besten Mittel bei Emphysem mit Zyanose”.

Absonderungen sind scharf und ätzend. “am.-c. scheidet Säuren aus”.

Kaltes, besonders nasses und stürmisches Wetter ist unerträglich. Unwohl bzw. Verschlimmerung durch Nässe. Schlimmste Zeit zwischen 3-4 Uhr morgens.

 

“Wir haben bisher kein klar abgegrenztes geistig-psychisches Bild dieses Mittels.” Vithoulkas zeichnet nichtsdestotrotz aus einigen der vorhandenen Geist-Gemüts-Symptome und anderen Charakteristika (“beissende Ausflüsse”) ein Bild, das (wie viele in seiner MM) etwas konstruiert wirkt:

durch Schwäche, Herzbeschwerden usw. eingeschränkt, entwickelt der Patient einen bissigen Charakter. Reizbar, unfreundlich, beleidigend, leicht “sauer”. Überempfindlich gegen Kritik. Eigensinnig, eine Haltung von ‘Lassen Sie mich doch bitte in Ruhe’. Wut und Jähzorn, besonders bei Kopfschmerz (Nasenwurzel!), kalt-nassem Wetter oder abends. Wasser verschlimmert, daher unreinlich und ungepflegt, was zum Problem mit anderen Mitbewohnern werden kann. “Von den älteren Männern unter meinen am.-c. Fällen waren die meisten nicht verheiratet.” [siehe Gemütssymptome unten].

 

Das Gupta: “Starke Aversion gegen Wasser und allgemeine Unsauberkeit”. “Wurde erfolgreich bei Rauchgasvergiftung eingesetzt” (dazu Orginalsymptom 61, CK: “Drückendes Gefühl in der Stirn, wie von Kohle-Gas”). “Lokal angewendet ein ausgezeichnetes Mittel gegen Insektenstich”.

 

 

Gallavardin: “am.-c. ist ein Mittel für Patienten, die Urin oder Fäces zu jeder Zeit oder an jedem Platz von sich geben und deren Manie oder Idiotie durch extreme Unsauberkeit gekennzeichnet ist” (gefunden in Fayazuddin, Peculiar and Characteristic Symptoms).

 

Bei Bannerjee findet sich eine weitere der wenigen Kasuistiken zu diesem Mittel: starke uterine Hämorrhagie begleitet von “quälendsten Herzbeschwerden”. Blutung wurde mit am.-c. 200 sofort gestoppt. Schließlich verschwanden langsam auch die Herzprobleme. Eines der führenden Mittel für Schlangenbisse und Insektenstiche.

 

H.K. Deys kleines “Traumbüchlein”:  Rastloser, unerfrischender Schlaf, wirft sich hin und her. Muß am Nachmittag schlafen. Häufiges Aufschrecken aus dem Schlaf mit großer Furcht danach. Alptraum jede Nacht, manchmal schweißgebadet. Lebhafte Träume, romantisch, ängstlich, lüstern, von Ärger und Not, Geistern, vom Sterben, toten Personen, Beleidigung, Läusen, Schimpfen. Spricht im Schlaf.

 

J. Mezger arbeitet nicht nur in gewohnter Weise die physiologische Bedeutung von Ammonium auf, sondern weis auch zu berichten, daß “am.-c. kein Konstitutionsmittel ist und vorwiegend für akute Erkrankungen oder akute Phasen chronischer Erkrankungen Verwendung findet”. Kälte/Nässe/Waschen werden nicht vertragen, damit ist es der hydrogenoiden Konstitution zuzurechnen. “Anorganisches Lachesis”. Er erweitert das Arzneimittelbild um die klinischen Beobachtungen Dyspnoe im Moment des Einschlafens; Erstickungsgefühl, fährt damit aus dem Schlaf auf und einem sonst Ammonium muriatikum zugeordnetem Symptom: Kältegefühl zwischen den Schulterblättern.

 

Prof. H.V. Müller findet eine unsichere Farbwahl von 6E5 im Farbatlas von Kornerup & Walscher.

Ammonium carbonicum in Rubriken

Geistes-Gemüts-Rubriken (Agrawal) (* kennzeichnet Single Symptom Rubriken) in der plus-minus Reihenfolge:

 

Heiterkeit, Extravaganz, verstärkte Phantasietätigkeit (abends, laszive), Ekstase

Fröhlichkeit, Lebhaftigkeit (abends), Erregung (abends), Ideenreich, klarer Kopf

Lachen, unangemessenes, über Kleinigkeiten

Launenhaftigkeit

Chaotisch, Abneigung gegen Geschäfte

erfolglos, ihm gelingt nichts

Erregung, abends, beim Denken an die ihr von anderen zugefügten Kränkungen *

Verweilt bei vergangenen unangenehmen Ereignissen

denkt an alles, was andere zu ihrer Kränkung getan haben; liegt damit wach, morgens hat sie es vergessen *

hartnäckige Gedanken, quälend, wandernd

spricht im Schlaf woran er beim Wachsein dachte, enthüllt Geheimnisse

Aufschreien im Schlaf, stöhnen im Schlaf

Rastlos, nervös (beim Aufwachen)

Unzufrieden, unzufrieden mit allem, tadelsüchtig, krittelig

Neigung zum Verleumden, Gewissensangst, als ob eines Verbrechens schuldig

Ärgerlich, Reizbar, verträgt keinen Widerspruch, unfreundlich, mürrisch

Haß, Fluchen, Gewalttätig, Bösartig

Unterhaltung und Gespräche von anderen Leuten verschlimmert

Abneigung zu antworten, Unterhaltung verschlimmert, schweigsam

Abneigung, gegen anderes Geschlecht, Abneigung gegen Frauen

Abneigung auszugehen, Abneigung, gegen Wasser* [NT sulph]

Furcht, vor dem Teufel, vor einer drohenden Krankheit, auffallende Religiösität

Traurigkeit (bei bedecktem Wetter*), weint leicht, Depression, Verzweiflung,

Gedanken an den Tod, Suizidneigung

 

Zusammenfassung

·      Schwaches Herz, insuffizient, tachykard, periphere Zyanose

·      Extreme Erschöpfung, Endzustand (carbo-veg.)

·      Dyspnoe, Asthma cardiale, Asthma bronchiale (< warmen Zimmer), Emphysem

·      Schnupfen, Anginen, Bronchitis, Pneumonie
viel Schleim (ant.-t.), jedoch zu schwach um ihn auszuhusten (stann.)

·      hämorrhagische Diathese, dunkles, schwer gerinnendes Blut (Lach.)

·      maligne Anginen, maligner Scharlach, septischer Zustand, Livedo (Lach.)

·      zahlreiche sensorische Symptome (Augen, Ohren)

·      jede Ausscheidung ist scharf und ätzend [Entsäuerung]

·      Emotionen geprägt von Kränkungs/Enttäuschungs/Betrogenheitsgefühl, zieht sich (beleidigt) zurück, abends unruhig und reizbar

·      Weinerliche (selbstmitleidige) Stimmung

·      hochaktives Traumleben, unruhiger Schlaf mit Tageserschöpfung

·      Verwahrlosung

 

Modalitäten

< abends, von kaltem, nassem Wetter, bedecktem Wetter, kalte Luft, Bewegung, Bücken, Neumond, nassen Anwendung, durch Waschen, von 3 Uhr bis 4 Uhr früh, Schlaf, während der Menses.

 

> Liegen auf der schmerzhaften Seite und auf dem Bauch; Liegen auf rechter Seite, Druck, trockenes Wetter, Essen

Kasuistiken

Abschließend die angesprochenen Anmerkungen zu einigen Arzneien von Dr. P. Sankaran (Übersetzung durch den Autor):

 

Ich habe am.-c. nicht oft eingesetzt und mich eigentlich gewundert, daß der berühmte Dr. B.Bhattacharya von Baroda in einem Buch schrieb, daß am.-c. eines der sechs “Edelsteine” der homöopathischen Medizin darstellt.

Kürzlich kam ein 18jähriges Mädchen wiederholten Asthmaattacken zu mir, agg. bei Neumond, vor der Menses, mit Husten < beim Liegen auf der rechten Seite. Beim Ausarbeiten des Falles kam ich auf am.-c., lyc. und sulph. Da am.-c. die Atmungs-Sympome aufweist, gab ich ihr das Mittel und sie wurde komplett geheilt. Ungefähr eine Dosis [?] alle 15 Tage. Ihr geht es nun seit über einem Jahr sehr gut.

Ich schaute mir am.-c. genauer an und war überrascht, daß es in unzähligen Rubriken vorkommt. Es scheint viele Fälle von Asthma abzudecken. Oft finde ich, daß, wo wir ars. einsetzen, wir eigentlch am.-c. benutzen sollten. Carb-v. ist ein Reaktions-Mittel. Wir geben carb-v. bei chronisch respiratorischen Problemen mit schwacher Reaktion. Aber eigentlich scheint am.-c. besser als carb-v zu wirken, als Mittel um Reaktion hervorzurufen. Patienten mit Schnupfen, die in der Nacht verstopfte Nase hatten, gab ich immer ars. mit einiger Erleichterung. In Kents Repertorium fand ich in der Rubrik “Nase, verstopft, nachts” nur 3 Mittel in Großbuchstaben, am.-c., lyc. und nux-v. Ich gab am.-c. und fand, daß es viel besser half als ars.

 

Ich hatte einen anderen sehr interessanten Fall: ein 16jähriger Bursche war extrem fett (110kg). Fettsucht ist ein Symptom von am.-c., obwohl es nicht im Kent unter dieser Rubrik (Obesitas) steht. Dieser Junge hatte monatelang nicht-heilende Geschwüre an den Füßen. Er ging mit Geld sehr freigebig um, gab sein Vater ihm Taschengeld, verschwendete er es. Er würde 2 oder 3 mal mit dem Taxi herumfahren, oder einmal hat er seine Freunde in eine Eisenhandlung mitgenommen und jedem eine Pfanne um 1 Rupie [!] gekauft. Er war exzessiv durstig nach kaltem. Er log und stotterte auch. Am.-c. hatte die meisten Symptome und alle verbesserten sich.

 

Da am.-c. um 3 Uhr früh und durch Feuchte schlimmer wird, könnte ich mir vorstellen, daß es besser als kali-c. in Bombay hilft.

Am.-c. ist sehr hilfreich für alte Leute. Dort wo wir carb-v. geben kann es genauso gut sein. Im Repertorium findet man unter ‘Obesitas alter Leute’ nur kali-c., aber am.-c. hat genauso ‘Obesitas’ und auch ‘alte Leute’. In solchen Fällen kann am.-c. besser als kali-c. wirken.

 

Ich habe zwei andere interessante Fälle behandelt.. Mrs. J.R.K., 49 Jahre, konsultierte mich am 9.April 1975 wegen rheumatischer Schmerzen, eher rechtsseitig, schlimmer im Winter, nach Ruhe, besser durch Bewegung. Kürzlich bekam sie noch Schmerzen in der rechten Hüfte und pulsierende, krampfende und elektroschockartige Schmerzen die das rechte Bein hinunterschossen, schlimmer zwischen 1 und 3 Uhr nachts. Sie muß dann herumgehen und ihr Mann muß die schmerzenden Teile drücken und massieren. Ist bei wolkigem Wetter deprimiert, träumt von Geistern. Die Schmerzen sind an kleinen Stellen, die herumwandern und mit Hitze und Röte assoziiert sind. Wird bei Widerspruch zornig. Weint leicht, dann geht es ihr besser. Weinte beim Erzählen der Symptome. Fühlte sich von Verwandten betrogen und war enttäuscht. Sie bekam rhod. 10M, sulph. 1M, puls. 10M, bry. 10M, rhus-t. 10M und syph. 10M von einigen Homöopathen ohne Erleichterung. Ihr Fall wurde nach folgenden Rubriken aufgearbeitet: wolkiges Wetter < ; Seite rechts ; Schmerzen, wandernde : Bewegung > ; Reiben > ; Druck > ; Zorn nach Widerspruch.

Das einzige durchgehende Mittel war am.-c., das auch den Hintergrund des Kummers, die Träume von Geistern usw. abdeckte. Sie bekam am.-c. 30, 1 x Trituation pro Tag und es ging ihr innerhalb einer Woche um 25% besser. Sie bekam am.-c. weiterhin in verschiedenen Potenzen, von 200 bis 50M und es ging ihr um 95% besser. Die Reste verschwanden unter puls.

 



Literatur (in Reihenfolge des Auftretens)

 

1.       J. Mezger Gesichtete Homöopathische Arzneimittellehre, Haug Verlag

2.       Hollemann-Wiberg, Lehrbuch der Anorganischen Chemie, de Gruyter, Berlin

3.       S. Hahnemann, The Chronic Diseases, Vol I Part 2, Indian Books & Periodicals Syndicate, New Delhi

4.       T.F. Allen, Encyclopedia of Pure Materia Medica, B.Jain Publ., Delhi

5.       J.T. Kent, Lectures on Homeopathic Materia Medica, Indian Books & Periodicals Syndicate, New Delhi

6.       W. Boericke, Homöopathisches Taschenbuch, Barthel Verlag, Berg

7.       Phatak, Materia Medica of Homeopathic Medicines, Indian Books & Periodicals Syndicate, New Delhi

8.       J.H. Allen, Die Chronischen Krankheiten – die Miasmen Band 2, Verlag Renee von Schlick, Aachen

9.       E.B. Nash, Leitsymptome in der Homöopathischen Therapie, Haug Verlag

10.     G.Vithoulkas, Materia Medica Viva, Band II, Burgdorf Verlag

11.     Das Gupta, Characteristic Materia Medica, Economic Homeo Pharmacy, Calcutta

12.     N.K. Banerjee, Realistic Materia Medica, B.Jain Publ., New Delhi

13.     H.K. Dey, Sleep and Dreams, Haren & Brother, Calcutta

14.     J. Mezger, Gesichtete Homöopathische Arzneimittellehre, Haug Verlag,. Heidelberg

15.     A. Kornerup & J.H. Wanscher, Taschenlexikon der Farben, Muster-Schmidt Verlag, Zürich

16.     M.L. Agrawal, Materia Medica of the Human Mind, Pankaj Publ., Delhi

17.     P. Sankaran, Random Notes On Some Remedies, The Homoeopathic Medical Publ., Bombay (1977), S. 7-9

 

 

Der Autor bittet Leser, die mit der Arznei tiefere Erfahrung machen konnten, diese zur Publikation zur Verfügung zu stellen. Am einfachsten auf eine Kassette sprechen und an den Autor zur Transkription weiterleiten.

 

Anschrift des Verfassers: Dr. Helmut Retzek, A-1150 Wien, Gablenzgasse 17/25

  

 



[1] Schon zu Hahnemanns Zeiten wurde dieses Verfahren angewendet. Hahnemann verweist auf mögliche Kontamination kommerziellen Riechsalzes durch Blei und gibt ein einfaches Verfahren zur Resublimation an.

[2] siehe Friedrich Dellmour: Entwicklung der Arzneiherstellung bei Hahnemann (in Vorbereitung); auszugsweise präsentiert bei der I. Jahrestagung der ÖGHM, Oktober 1992

publizert als: Ammonium Carbonikum; HiÖ; 6/1; März 95; 11

 

 
 
 

 

 

Rückmeldung

eine Patientin berichtet den  Rotlauf ihres Mannes mit Am-c gut in griff bekommen zu haben: 26-5-2019

 

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