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akute Mittelohrentzündung – Antibiotika sinnvoll?

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nachfolgende Studien stammen aus meiner alten Website, tw. noch aus Jahr 1998-2002. Es hat sich im wesentlichen seither nichts geändert (HR 2010)

 

Antibiotika bei akuter Otitis media: Geringer Nutzen

Studienziele

Die Gewohnheiten, Kindern zur Behandlung einer akuten Otitis media Antibiotika zu verschreiben, unterscheiden sich in verschiedenen Ländern. Im Rahmen einer Meta-Analyse wurde die Wirksamkeit einer Antibiotikabehandlung analysiert.

Methoden

Nach systematischer Durchsicht der medizinischen Literatur wurden 6 randomisierte kontrollierte Studien bei Kindern im Alter von 7 Monaten bis 15 Jahren gefunden, welche die Qualitätskriterien der Autoren erfüllten. Die folgenden Kriterien wurden beurteilt: Schmerzen in den ersten 24 Stunden, Schmerzen nach 2 bis 7 Tagen, Trommelfellperforation, Hörvermögen nach 1 und 3 Monaten, kontralaterale und rezidivierende Otitis media sowie unerwünschte Wirkungen der Antibiotika (Erbrechen, Durchfall, Hautausschlag).

Ergebnisse

Sowohl unter Antibiotika als auch unter Placebo waren 60% der Kinder bereits nach 24 Stunden schmerzfrei. Zwei bis sieben Tage nach der Erstbeurteilung klagten in der Kontrollgruppe noch 14% der Kinder über Schmerzen, unter Antibiotika waren es 40% weniger. Das Risiko einer kontralateralen Otitis media konnte mit einer Antibiotikatherapie um 43% reduziert werden. Das Risiko rezidivierender Otitiden sowie eines Hörverlustes nach einem Monat wurde durch Antibiotika nicht beeinflusst. Die frühzeitige Antibiotikabehandlung führte jedoch zu einer Verdopplung des Risikos, Erbrechen, Durchfall oder einen Hautausschlag zu erleiden.

Schlussfolgerungen

Die frühzeitige Verschreibung von Antibiotika zur Behandlung einer akuten Otitis media bei Kindern bringt nur geringe Vorteile. Um ein Kind mehr am zweiten bis siebenten Tag nach Beginn der Behandlung schmerzfrei zu halten, müssen 17 Kinder antibiotisch behandelt werden.

Dies ist bereits die zweite Meta-Analyse, welche die alte Doktrin ins Wanken bringt, wonach eine akute Otitis media unbedingt einer Behandlung mit Antibiotika bedürfe.1 So wird z. B. nach den holländischen Behandlungsrichtlinien eine akute Otitis media bei Kindern routinemässig initial nur symptomatisch und ohne Antibiotika behandelt. Diese Politik hat bereits zu einer Verminderung der Zunahme von resistenten Bakterien geführt. Antibiotika scheinen auch das Risiko von Komplikationen wie z.B. Schwerhörigkeit, Meningitis u.a. nicht wesentlich zu beeinflussen. Eine wirksame Prophylaxe kann mit konsequentem Stillen und striktem Vermeiden einer Tabakrauchexposition durchgeführt werden. Wenn Antibiotika zur Behandlung einer akuten Otitis media bei Kindern nur teure und schlechte Schmerzmittel sind, so muss die Behandlungsstrategie neu überdacht werden.

1 Rosenfeld RM, Vertrees JE, Carr J et al. Clinical efficacy of antimicrobial drugs for acute otitis media: meta-analysis of 5400 children from thirty-three randomized trials. J Pediatrics 1994 124: 355-67 [Medline]

siehe auch die Patienteninformation bei Otitis media nach neuesten wissenschaftlich geprüften Medizinischen Standards (Evidence Based Medicine: Algorithmen für Ärzte):

 


Übereilte Antibiotika-Abgabe an Kinder

  • Viel zu häufig werden Kindern mit Mittelohrentzündung ohne ausreichenden medizinischen Grund Antibiotika verschrieben. Zu diesem Schluss kommt eine Studie britischer Wissenschafter des Aldermoor Health Centre in Southampton. Die Mediziner hatten bei 315 Kindern im Alter zwischen sechs Monaten und zehn Jahren eine abwartende Vorgangsweise mit der Antibiotika-Sofortverschreibung verglichen. Der Antibiotika-Einsatz verkürzte zwar die Dauer der Krankheit um etwa einen Tag, allerdings müssten laut Studienautoren auch Nebenwirkungen wie Durchfall oder eine Resistenz gegen die Präparate in Betracht gezogen werden.
  • Bei den meisten Kindern der beiden Gruppen waren Beschwerden wie Ohrenschmerzen, Fieber, Unwohlsein und Schlaflosigkeit nach drei Tagen verschwunden. Im Gruppenvergleich gab es zudem kaum einen Unterschied im Schmerzmittelverbrauch, was nahe legt, dass Antibiotika den Schmerz praktisch nicht beeinflussen. Insgesamt waren mit der abwartenden Methode 75 Prozent weniger Antibiotika erforderlich. Die Experten weisen auch auf die Bedeutsamkeit unerwünschter psychologischer Effekte hin: Führen Eltern die Genesung ihres Kindes auf die Antibiotika-Einnahme zurück, so würden sie auch in Zukunft häufiger auf eine derartige Behandlung bestehen.
    Der Standard, Wellness & Medizin, S. 12

Geduld beim Einsatz von Antibiotika bei Kindern mit akuter Otitis media

22.2.01 Fachbereich: Pädiatrie,HNO,Infektionen

Einer aktuellen britischen Studie zufolge ist bei Kindern mit akuter Otitis media Abwarten möglicherweise sinnvoller als der direkte Einsatz von Antibiotika.

Wie Dr. Paul Little von der University of Southampton und Kollegen im British Medical Journal berichten, ist eine solche Strategie realisierbar, für Eltern akzeptabel und sollte den Einsatz von Antibiotika deutlich reduzieren.

Den Eltern von 315 Kindern zwischen sechs Monaten und zehn Jahren, die wegen akuter Otitis Media eine Allgemeinarzt-Praxis aufsuchten, wurden randomisiert zwei Behandlungsstrategien angeboten: Einmal der direkte Einsatz von Antibiotika und zum anderen, erst einmal 72 Stunden abzuwarten und dann den Einsatz von Antibiotika in Erwägung zu ziehen.

Der sofortige Einsatz von Antibiotika hatte gegenüber dem verzögerten Einsatz einige Vorteile wie eine verkürzte Krankheitsdauer und weniger gestörte Nächte. Diese Vorteile griffen aber hauptsächlich nach den ersten 24 Stunden, wenn sich das Leiden und die Symptome sowieso bereits verbesserten. In punkto Schmerzen und Fehlen in der Schule gab es denn auch kaum Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Der sofortige Einsatz von Antibiotika steigerte den Glauben der Eltern an ihre Effizienz. Auf der anderen Seite traten allerdings auch Fälle von Diarrhoe um zehn Prozent häufiger auf.

Insgesamt waren 77 Prozent der Eltern, die die ” wait and see” -Strategie einsetzten, damit sehr zufrieden. Zudem glaubten weniger von ihnen an die Effektivität von Antibiotika und die Notwendigkeit, mit dem gleichen Problem künftig den Arzt aufzusuchen. Dieser Ansatz resultierte in einer Verringerung des Gebrauchs der verschriebenen Antibiotika um 76 Prozent.

Die Wissenschafter konkluideren, dass für Kinder, denen es insgesamt nicht allzu schlecht geht, diese Vorgehensweise deshalb realisierbar scheint und künftig helfen könnte, die Gefahr durch Antibiotika-resistente Bakterien zu reduzieren.

© 2001 www.medaustria.at Quelle: BMJ 2001, 322: 336-342 (chi)

siehe auch die Patienteninformation bei Otitis media nach neuesten wissenschaftlich geprüften Medizinischen Standards (Evidence Based Medicine: Algorithmen für Ärzte):


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